Am kommenden Donnerstag nehme ich an der Diskussionsrunde zum Thema „Game-Based Learning. Das Klassenzimmer des 21. Jahrhunderts als digitaler Spielplatz?“ in Berlin teil. Im Zentrum wird die Frage stehen, wie sich mit Computerspielen lernen lässt.
Wenn ich überlege, was ich von Computerspielen gelernt habe, fällt die Antwort kurz aus: Nicht viel – ein bisschen Umgang mit dem Computer vielleicht. Hätte ich die Zeit stattdessen für eine Karriere in der Jungen Union aufgewendet, wäre die Aufwand-Nutzen-Bilanz wahrscheinlich positiver ausgefallen.
Warum sollte es sich also lohnen, das Computerspiel-Monster in die Klassenzimmer zu lassen und dabei zuzusehen, wie es die wertvolle Zeit unserer Kinder frisst und dadurch all die Baletttänzerinnen und Spitzensportler in spe nutzlos vor dem Bildschirm verkümmern lässt? Gibt es nicht so viel nützlichere Dinge in der Welt als Computerspiele?
Die Antwort auf diese Frage ist schwieriger, als man denkt, denn Zeit, die fürs Spielen aufgewendet wird, ist keineswegs verlorene Zeit. Neuere Untersuchungen zeigen, dass nichts das Gehirn so anregt wie Spielen. Stuart Brown beschreibt es in seinem Buch „Play“ wie folgt:
When we play, we are engaged in the purest expression of our humanity, the truest expression of our individuality. Is it any wonder that often the times we feel most alive, those that make up our best memories, are moments of play? (S. 5) […] Once people understand what play does for them, they can learn to bring a sense of excitement and adventure back to their lives, make work an extension of their play lives, and engage fully with the world. I don’t think it is too much to say that play can save your life. (S. 11)
Das Gegenteil von Spielen, so Brown weiter, ist nicht Arbeiten, sondern Depression. Ein Leben ohne Spiel wäre ein Leben ohne Bücher, Filme, Kunst, Musik, Witze, Theater, Flirt, Tagträume und Ironie. Mit anderen Worten: Ohne Spiel wäre das Leben nicht lebenswert.
Beim Einsatz von Computerspielen in der Schule geht es jedoch nicht allein um Lernspiele, bei denen man sich ohnehin fragen muss, ob sie überhaupt noch Spiele sind. Es geht vielmehr darum, folgende Elemente von Computerspielen auf die Schule zu übertragen:
- Fehler sind in Computerspielen Anreize
Fast jeder Schüler hat Angst davor, im Unterricht die falsche Antwort zu sagen, eine Aufgabe an der Tafel nicht lösen zu können, einen schlechten Test zu schreiben. Niemand hat Angst vor Fehlern in Computerspielen. Sie werden ganz natürlich als Voraussetzung dafür gesehen, beser zu werden.
- Computerspiele belohnen ständig
Jede Aktion, die ein Spieler auslöst, hat unmittelbare Folgen. Wird eine Aufgabe erfolgreich gelöst, wird der Spieler belohnt durch Punkte, virtuelle Gegenstände oder das Erreichen des nächsten Levels. In der Schule fehlt dieses unmittelbare Feedback in vielen Fällen.
- Computerspiele haben unterschiedliche Schwierigkeitsstufen
Das Schlagwort schlechthin im deutschen Bildungssystem des 21. Jahrhunderts ist die individuelle Förderung. Computerspiele zeigen, wie es geht, dass Anfänger, Fortgeschrittene und Profis in gleicher Weise motiviert werden. Gute Computerspiele werden zudem mit der Zeit immer schwieriger, aber nie so schwierig, dass Frustration einsetzt und nie so öde, dass Langeweile aufkommt.
- Computerspiele führen in vielen kleinen Etappen zum Ziel
Es ist ein beglückendes Erlebnis, in einem Computerspiel ein Level abzuschließen. Man ist sich bewusst, eine kleine Aufgabe gelöst zu haben, die zur Bewältigung des Spiels nötig ist. Auch Unternehmen wie Payback nutzen diesen Anreiz: Jeder Einkauf ist eine kleine Etappe auf dem Weg zur Prämie, was mitunter das Geldausgeben erleichtert. In der Schule hingegen wird das eigentliche Ziel, ja sogar der Sinn des gesamten Systems Schule oft nicht erkannt.
- Computerspiele sind kein Mittel zum Zweck
Es scheint paradox, aber gerade die Abwesenheit von unmittelbaren Lernzielen und förderlichen Kompetenzen prädestinieren Computerspiele für den Einsatz in der Schule. Sie bereichern ein von Anfang bis Ende duchgeplantes und vorhersehbares System durch Elemente des Zufalls und des Risikos, die auf Menschen ungemein motivierend wirken.