Bildungsdebatten auf Augenhöhe: Das educamp 2012 in Köln

educamp 2012 in der Kaiserin Augusta Schule in Köln

educamp 2012 in der Kaiserin Augusta Schule in Köln

Christian Füller kennt die Abgründe des Bildungswesens in Deutschland. Es ist sein Beruf, sich durch ausufernde Vorträge über die Nachteile des Frontalunterrichts, ideologiegeladene Gewerkschaftssitzungen und nichtssagende Statements von Bildungspolitikern zu kämpfen.

Es hat also Gewicht, wenn Christian Füller am Samstag auf einer Couch sitzt, die Stimme erhebt und mit den einleitenden Worten „Das ist unglaublich“ behauptet, etwas auf einer Bildungsveranstaltung zum ersten Mal gesehen zu haben.

Die Füllersche Premiere bestand darin, dass sich kurz zuvor ca. 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (darunter Lehrer!) in einer knappen Stunde problemlos vorgestellt, über 20 Sessions präsentiert und gemeinsam einen Terminplan erarbeitet haben.

Das war jedoch nicht der einzige Grund zum Staunen an diesem Wochenende. Bereits am Freitag begann die Veranstaltung mit einem „Edu-Hackday“ und der Aufforderung „Wir wollen Produkte sehen!“ In z.T. sehr kleinen Gruppen wurde z. B. an dem Dreh eines Erlärvideos zum Barcamp-Format (hier das sehr gelungene Ergebnis), Widgets in digitalen Schulbüchern, einer Tablet-App und Podcasts gearbeiten.

Beendet wurde der erste Educamp-Tag durch einen sehr gelungenen Unplugged-Auftritt der Sängerin Elli, die es nach eigenem Bekunden sogar cool fand, vor einem Publikum zu spielen, dass sich (leider auch während des Konzerts) in erster Linie mit seinen elektronischen Gadgets beschäftigte.

Educamper bei der Sessionwahl

Educamper bei der Sessionwahl

Sessions am Samstag

Nach einem ausgiebigen Frühstück und der bereits erwähnten Vorstellrunde stand für mich das momentan viediskutierte Thema „Umdenken – was OER bedeutet“ auf dem Programm. Es wurde u.a. über Mechanismen der Qualitätssicherung (Lektorat vs. Crowd-Korrektur), der Verbreitung (zentral vs. dezentral) sowie Möglichkeiten der Bezahlung von Autoren und dem Schutz des Urheberrechts gesprochen. Der Umstand, dass viele unterschiedliche Facetten des Themas angesprochen wurde, zeigt, dass OER-Materialien weiterhin ein heißes Thema bleiben werden.

Frühstücksbuffet am Samstag

Frühstücksbuffet am Samstag

Vor allem das ebenfalls auf einer Session am Samstag diskutierte Whitepaper OER (von Mirjam Bretschneider, Jöran Muuß-Meerholz und Felix Schaumburg) klingt vielversprechend. Es liegt momentan in einer Beta-Version vor, soll aber bald unter CC-Lizenz veröffentlicht werden.

Bereits vorab für reichlich Zündstoff (siehe hier und hier) sorgte die Session zur Rolle des Bertelsmann-Konzerns bei der Finanzierung des Educamps.

Die zentrale Frage lautet: Welchen Einfluss nehmen Sponsoren auf das Educamp? Mostafa Akbari, einer der Initiatoren des Educamps, merkte an, dass Sponsoring sein muss, um eine für Teilnehmer kostenlose Veranstaltung bezahlen zu können. Das bedeute jedoch nicht, dass es sich deshalb um Werbeveranstaltungen handelt.

Felix Schaumburg fügte hinzu, dass Bertelsmann zwar inhaltlich keinen Einfluss nahm, man aber eingestehen müsse, dass der Konzern durch das Sponsoring sein Image aufbesserte. Dies sei, so ein weiterer Redner, jedoch immer noch besser als eine indirekte Einflussnahme großer Konzerne, z. B. durch das Verschenken von Hardware.

occupy Schulhof

occupy Schulhof

Gerade wenn das Barcamp-Prinzip jedoch auf den Regelschulbetrieb übertragen werden soll, so Christian Füller, habe man das Problem, Bertelsmann „mit im Gepäck“ zu haben, was auf Ablehnung seitens vieler Lehrkräfte stoßen kann.

Mit Blick auf die Omnipräsenz von Apple-Hardware auf dem Kongress stelle sich zudem die Frage, ob Apple nicht bereits dort sei, wo Bertelsmann erst hin wolle. Auch Apple war bereits Sponsor eines Educamps (2009 in Graz).

Abschließend wurde resümiert, dass das Educamp sich von anderen Barcamps darin unterschiedet, dass Bildung immer einen gesellschaftlichen Auftrag besitzt und alle Teilnehmer Multiplikatoren seien. Auch dieses Thema wurde hier sicherlich nicht zum letzten Mal diskutiert und soll auch am Sonntag erneut aufgegriffen werden.

Weiter ging es nach der Mittagspause mit einer Session zum Thema „Bildungsarmut im Web 2.0“. Auch hier eröffnete Christian Füller die Runde mit dem Statement: „Eine Demokratisierung findet durch das Web 2.0 nicht statt.“ Es entstehe eine digitale Spaltung durch den hohen Preis der zur Partizipation notwendigen Geräte.

Die Twitterwall auf dem educamp

Die Twitterwall auf dem educamp

Zudem sei auch die Games-Szene nach Meinung des Journalisten naiv, als Beleg wurden Manfred Spitzer und Christian Pfeiffer angeführt, die zeigten, dass Computerspiele Zeitfresser seien und vor allem Jungs „in den Abgrund reißen“. Sie würden durch übermäßigen Computerspiele-Konsum in die Bildungsarmut abdriften.

Nicht nur Torsten Larbig zog es jedoch in Zweifel, ob Jungs wirklich aufgrund von Computerspielen schlechte schulische Leistungen erbringen würden. Hitzig debattiert wurde auch die Genderfrage: Kann man Jungs tatsächlich generell als Bildungsverlierer bezeichnen, wenn sie später die Chefposten besetzen?

Eine Vertreterin der beruflichen Bildung führte an, dass es bei jeder technischen Revolution neue Herausforderungen gebe. Der Einsatz von CNC-Maschinen führte beispielsweise dazu, dass die Arbeit, die der Computer den Menschen abgenommen hat, von den Auszubildenden auch nicht mehr wie früher, als man selbst Hand anlegen musste, verstanden wurde.

Weitere Sessions konnte ich leider nicht mehr besuchen, daher würde ich mich auf weitere Kommentare, Eindrücke und Links zu Blog-Einträgen in den Kommentaren freuen.

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