Der LEGO-Code, Teil 2: LEGO in der Schule

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LEGO Robotic-Sets für die Schule: Mindstorms RCX (rechts unten), Mindstorms NCT (links) & WeDo (oben rechts)

Willkommen zum 2. Teil meiner vierteiligen Serie über LEGO als medienpädagogisches Werkzeug. Nach der Verbindung zwischen LEGO und dem MIT dreht sich diesmal alles um das Thema Schule.

Wie im ersten Teil gezeigt wurde, lassen sich mit den entsprechenden LEGO-Sets einfache Programme schreiben und sie erlauben selbst kleinen Kindern, kreative Modelle zu basteln.

Seit es auch Motoren, LEDs und Sensoren gibt, ist LEGO eine auf den ersten Blick interessante Alternative zu anderen Möglichkeiten, das Programmieren in Kombination mit dem „Physical Computing“ zu lernen, vom Calliope über den Arduino bis hin zum Raspberry Pi.

Das LEGO Technic Control Center aus dem Jahr 1990

Das LEGO Technic Control Center aus dem Jahr 1990

Auch ich habe meine ersten Programmiererfahrungen mit LEGO-Technic gemacht, genauer gesagt mit dem Technic Control Center und auch heute noch ist mein Schreibtisch eigentlich immer mit irgendwelchen LEGO-Teilen vollgestellt.

Die bunten Plastikklötzchen werden also nicht so schnell langweilig, aber eignen sie sich wirklich für den Einsatz in Bildungsinstitutionen wie der Schule?

Um diese Frage zu beantworten, soll in diesem Teil der Serie genauer auf die Sparte des LEGO-Konzerns eingegangen werden, die sich „LEGO Education“ nennt. Seit über 30 Jahren versucht sie, Produkte für den Bildungsmarkt zu schaffen und an Schulen zu vermarkten.

Auf der Internetseite von LEGO Education lässt sich auch mehr über die Pädagogik von LEGO erfahren. Alle Unterrichtsmaterialien folgen einem vierstufigen Lernsystem:

  • Verknüpfen: Durch Anknüpfen an vorhandenes Wissen werden Neugier und Wissensdurst geweckt.
  • Umsetzen: Im Unterricht gestellte Aufgaben werden in entsprechende, leichter verständliche Objekte übersetzt.
  • Begreifen: Das Ergebnis wird im Dialog mit dem Lehrer und den Mitschülern reflektiert und beurteilt.
  • Erweitern: Frisch erworbenes Wissen wird unmittelbar bei der Lösung neuer Aufgaben selbständig angewendet.
LEGO Technic Dacta-Set 1030 aus dem Jahr 1983

LEGO Technic Dacta-Set 1030 aus dem Jahr 1983

Bereits 1983 veröffentlichte LEGO ein Set, das auf diesen vier Grundprinzipien aufgebaut ist. Enthalten waren LEGO Technic-Teile sowie einige einfache Anleitungen, die immer einen technischen Gegenstand aus dem Alltag zeigten (z. B. die Lenkung eines Automobils). Es folgte eine Anleitung, wie man ein LEGO-Modell bauen kann, das das jeweilige technische Prinzip veranschaulicht.

Das Modell der realen Welt wird also verknüpft (Schritt 1) mit einem Modell, dieses wird dann mit LEGO umgesetzt (Schritt 2), damit es von den Schülerinnen und Schülern begriffen wird (Schritt 3). Anschließend folgt das Bild (ohne Bauanleitung) eines weiteren, komplexeren Modells als Anregung für eine erweiterte Auseinandersetzung (Schritt 4).

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Und hier ein weiteres Beispiel aus dem gleichen Set von 1983:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Lernen, so das Ziel von LEGO, soll dadurch spannend, relevant, praktisch und kreativ sein. Aber ist das Bauen dieser Modelle wirklich der beste Weg, grundlegende technische Prinzipien zu verstehen oder handelt es sich bei diesen Sets lediglich um eine clevere Marketing-Maßnahme?

LEGO im digitalen Zeitalter

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LEGO WeDo-Roboter

Mittlerweile lassen sich viele unterschiedliche Schulsets von LEGO kaufen, die auf unterschiedliche Altersklassen zugeschnitten sind. Neben der bereits vorgestellten Serie LEGO Mindstorms ist vor kurzer Zeit ein neues Angebot hinzugekommen, das vor allem auf jüngere Kinder zielt: WeDo.

Das WeDo-Set enthält 280 Teile, darunter sind neben einem Motor auch ein Lagesensor sowie ein Bewegungssensor. Als Steuerungselement kommt der „Smarthub“ zum Einsatz, der sich leicht per Bluetooth mit der dazugehörigen Tablet- bzw. Smartphone-App verbinden lässt. Auch eine Verbindung mit dem Computer ist möglich.

Android-Nutzer berichteten Anfangs noch von Problemen, mittlerweile läuft die Software jedoch wohl auch auf Geräten wie dem Amazon Fire. Man sollte jedoch sicherheitshalber vor dem Kauf einen Blick auf die Kompatibilitäts-Liste werfen.

LEGO WeDo soll im Sachunterricht der Grundschule dazu dienen, grundlegende technische Prinzipien zu vermitteln, etwa Zugkraft und Reibung oder Standfestigkeit. Dazu werden einfache Modelle bzw. Roboter gebaut, die dann mit Hilfe wenigen Befehlen programmiert werden.

Programmier-Oberfläche der LEGO WeDo-App

Programmier-Oberfläche der LEGO WeDo-App

Zum Einsatz kommt hier eine eigene LEGO-Programmiersprache, die entfernt an Scratch erinnert und nur grundlegende Funktionen bietet.

Die Möglichkeiten des Sets sind somit auch recht schnell erschöpft, die verschiedenen Modelle ähneln sich sehr stark in der Funktionsweise und es ist fraglich, ob etwa das Prinzip der Reibung nicht auch mit einfacheren Mitteln vermittelt werden kann.

Insgesamt wirken leider viele der WeDo-Projekte so, als ob künstlich ein Lernziel als pädagogische Rechtfertigung zum Bau und der Programmierung des Roboters gesucht wurde. Der Bau eines LEGO-Frosches ist sicherlich nicht die didaktisch günstigste Variante, um etwas über die Metamorphose bei Fröschen zu lernen.

Auch an anderen Stellen wird deutlich, dass nicht das Lernziel im Vordergrund stand, sondern der Wunsch, möglichst viele Kompetenzen mit dem LEGO-Set vermitteln zu wollen. Die vielen sogenannten „offenen Projekte“ sind dann gänzlich unbrauchbar. Als Beispiel sei hier das Projekt „Emotionale Gestaltung“ gennant, zu dem sich folgender Erklärungstext in der App befindet:

Wie kann ein Roboter bei Menschen positive Gefühle hervorrufen?

In diesem Projekt werdet ihr: lernen, wie ein Roboter positive Gefühle bei Menschen hervorrufen kann, einen Roboter bauen und programmieren, der mit Menschen interagieren und Gefühle hervorrufen kann, eure Programme in verschiedenen Situationen testen und Daten über euren Prototyp aufzeichnen, eure Programme vorstellen und Ideen untereinander austauschen und eure Ergebnisse dokumentieren und präsentieren

Es folgt der Verweis auf drei „Basismodelle“ aus dem Set und drei Programmierbefehle, das war`s. Dass Grundschulkinder mit einem derart komplexen offenen Auftrag, der selbst für Nobelpreisträger eine echte Herausforderung darstellen dürfte, wirklich etwas anfangen können, wage ich zu bezweifeln.

Mir persönlich fallen da die uralten LEGO-Schulsets noch besser, auch wenn sie ohne Motor und Programmierung auskamen. Auch die fehlende didaktische Begründung oder ausformulierte Lernziele vermisst man nicht. Aus den Modellen selbst und einem Foto, das den Einsatz des jeweiligen technischen Prinzips im echten Leben zeigt, geht klar hervor, was man aus dem Modell lernen kann. Mehr braucht es nicht, der Rest ist der kindlichen Kreativität überlassen.

LEGO Boost

WeDo wird über die LEGO-Education-Sparte lediglich an Schulen vermarktet. Wer den Begriff auf der offiziellen LEGO-Seite eingibt, erhält daher auch keinen Treffer. Es gibt jedoch ein in gewisser Weise ähnliches Produkt, nämlich LEGO Boost. Hier steht jedoch klar der Entertainment-Faktor im Vordergrund. Ausführliche Reviews zu dem Set gibt es z. B. bei tom`s guide oder golem.de. Und so sieht das quetschbunte Programmieren mit Boost in der Praxis aus:

Für den Schuleinsatz eignet sich LEGO Boost kaum. Das Bauen der Roboter und deren Programmierung ist zwar lehrreich, aber das Set ist klar als Spielzeug und nicht als Lernwerkzeug gedacht. Das ist vor allem deshalb schade, da LEGO Boost der weitaus bessere Deal ist. Das Set enthält nämlich 847 Teile – mehr als jedes andere Robotik-Set von LEGO – darunter drei Motoren, von denen (neben einem Bewegungssensor) zwei im „Move Hub“ fest verbaut sind. Dazu gibt es einen Farb- & Abstandssensor. Boost-Roboter sind somit in der Regel wesentlich komplexer als ihre WeDo-Pendants – und das bei gleichem Preis. Wer möchte, kann auf der Seite vom RoboCAMP einen ausführlichen (englischsprachigen) Vergleich der beiden Sets lesen.

Ohne Tablet läuft nicht`s

Eins haben WeDo und Boost jedoch gemeinsam: Es liegt keine gedruckte Anleitung mehr im Karton, der Zusammenbau und die anschließende Programmierung können nur mit Hilfe eines Tablets (oder notfalls auch eines Smartphones) geschehen. Wer es lieber analog möchte, muss zu einem anderen Set greifen.

Dadurch wird die Arbeit mit LEGO WeDo zu einer recht kostspieligen Angelegenheit, die sich nicht jede Schule leisten kann. Zumal immer die Frage im Raum steht, ob LEGO als Unterrichtsmaterial wirklich so geeignet ist, wie es der Konzern vorgibt.

Vielleicht wird ja der erste „LEGO-Professor“ Paul Ramchandani an der Uni Cambridge diese Frage demnächst etwas genauer erforschen. Er wird von der LEGO Foundation bezahlt und soll das Verhältnis zwischen Spielen und Lernen erforschen. In einem Interview mit der BBC erläutert er seine Arbeit wie folgt:

Everyone has an opinion about what role play should have in early education and there is some wonderful research, but there are also big gaps in our knowledge,“ he said. We need the best evidence possible in order to inform the vital decisions that are made about children’s education and development and I look forward to taking that work forward together with colleagues at Cambridge.

Die Community hilft

Ein großer Pluspunkt bei der Arbeit mit LEGO-Robotern ist auf jeden Fall die riesige Community, die kostenlose Anleitungen für tolle Roboter ins Netz gestellt. Ein sehr guter Startpunkt für die NXT- und EV3-Sets ist die Seite nxtprograms.com. Sortiert nach Sets gibt es hier viele originelle Roboter zum Nachbauen. Auch Tufts das Center for Engineering Education and Outreach (CEEO) in Boston hat in Kooperation mit LEGO eine große Sammlung mit Projektideen gesammelt und zwar sowohl zum alten Mindstorms RCX-System als auch zum NXT-Set und WeDo.

Seit 1998 organisiert LEGO zudem zusammen mit der Jugendorganisation First (For Inspiration and Recognition of Science and Technology) die „First LEGO League“, einen weltweiten Roboterwettbewerb zu einem jährlichen wechselnden Thema. Auf der deutschen Seite des Wettbewerbs gibt es hierzu mehr Informationen.

Ist LEGO also nun der „Stein der Weisen“ der Medienpädagogik? Darum geht es im großen Fazit am Ende dieser Artikelreihe. Zuvor werfe ich nächste Woche aber noch einen Blick auf den Raspberry Pi und beantworte die Frage, wie sich der Mini-Computer mit LEGO-Teilen nutzen lässt. Hier noch einmal die Artikelübersicht:

  • 1. Teil: MIT & Mindstorms
  • 2. Teil: LEGO in der Schule
  • 3. Teil: Der Raspberry Pi & LEGO (16.01.18)
  • 4. Teil: Stein der Weisen? (23.01.18)

Wer den auf keinen Fall verpassen will, abonniert am besten diesen Blog (ganz nach unten scrollen, Mail-Adresse eingeben und auf „Follow“ klicken) oder folgt mir auf Twitter.

Und wer sich bis nächste Woche noch etwas die Zeit vertreiben möchte, kann sich abschließend den großartigen Titelsong des LEGO-Films anschauen, meinen kurzen Kommentar zum Film lesen und danach die traurige Geschichte lesen, wie der Songtext entstanden ist und was er eigentlich bedeutet.

4 Kommentare zu “Der LEGO-Code, Teil 2: LEGO in der Schule

  1. Hallo Tobias!
    Zum Thema Lego Boost habe nich noch eine Ergänzung: Mit einem Bluetooth Module BLED112 und der Software S2Bot (http://www.picaxe.com/LEGO-Boost/) kann man den Move Hub auch mit einen PC verbinden und mittels Scratch programmieren.
    Dazu startet man S2Bot, verbindet den Hub über Bluetooth mit dem Computer, lädt ein Template aus der Software S2Bot und startet dieses in Scratch (off- und online möglich). In Scratch gibt es dann im Bereich weitere Blöcke neue Befehle und Sensordaten für den Move Hub. So ist man doch unabhängig von der sehr beschränkten Tablet App und kann eigene Ideen umsetzen. Außerdem ist auch die Kombination von Scratch und eigenen Lego Modellen ganz reizvoll.

    • Wow – sehr cool! Ich beschäftige mich jetzt seit ein paar Monaten mit den LEGO-Robotik-Sets und lerne jeden Tag neue Dinge dazu. Danke für den Tipp – das probiere ich mal aus!

  2. Pingback: Der LEGO-Code, Teil 3: LEGO & Raspberry Pi « Medienistik Blog

  3. Pingback: Der LEGO-Code, Teil 4: Stein der Weisen? « Medienistik Blog

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