Gastbeitrag: Das Ultimore-Projekt – Was ist Ultimore?

Nur im Internet können sich ein Religionslehrer aus Deutschland und ein Gamer namens „Daemon Master“ aus Australien zusammenschließen und gemeinsam ein Stück Computerspiel-Geschichte schreiben.

Leserinnen und Leser meines Blogs wissen ja bereits seit meinem Bericht über das Spiel „Nox Archaist“ und meinem Gastauftritt im Spieleveteranen-Podcast, dass ich ein Faible für alte Computerspiele habe, insbesondere die Ultima-Serie. Es gibt jedoch kaum etwas, was über diese Spiele noch nicht gesagt oder geschrieben wurde. Sie gehören zu den am besten dokumentierten Videospielen überhaupt.

Dennoch konnte ich im letzten Jahr eine interessante Entdeckung machen, da ich eine Kopie der inoffiziellen Ultima III-Erweiterung „Ultimore“ fand, die als verloren galt. Dabei handelt es sich um eine der ersten Computerspiel-Mods überhaupt. Der Blogger und Twitch-Streamer „Daemon Master“ hat sich nun als erster näher mit dieser Erweiterung beschäftigt und einen langen Artikel dazu verfasst, den ich hier – auf Deutsch übersetzt – auch in meinem Blog veröffentliche. Viel Spaß mit diesem interessanten Kapitel Computerspielgeschichte:

(Der folgende Text stammt aus dem Blog von Daemon Master, veröffentlicht am 31. Juli 2021)

Ich habe Ultima III: Exodus zum ersten Mal 1984 (oder so) gespielt und tue das seitdem immer wieder. Wer an meiner Meinung zum Spiel und ein paar historischen Fakten interessiert ist, kann diese hier nachlesen.

Ich glaube sagen zu können, dass ich die Entwicklungen rund um das Spiel, also Mods, Patches und sonstige Aktivitäten in der Community (wenn auch aus der Entfernung), seit Jahren verfolgt habe. Dennoch habe ich von Ultimore erst kürzlich gehört.

Also, lieber Leserin und lieber Leser, wenn du noch nie von Ultimore gehört hast, kann ich das verstehen. Aber lass mich bitte erklären, was genau Ultimore bedeutet and warum es so interessant ist. In aller Kürze lautet die Antwort, dass es ein Teil Videospielgeschichte ist, die ein wenig mehr Beachtung verdient.

Ultima III: Exodus wurde veröffentlicht von Origin Software im August 1983, ursprünglich für den Apple II and dann später für zahlreiche andere Plattformen, darunter der Commodore 64 und IBM PC. Ultima IV wurde erst im November 1985 veröffentlicht. Ultima III war ein großer Erfolg für seinen Schöpfer Richard Garriott und sein Team bei Origin Systems und viele Fans warteten nach der Veröffentlichung von Ultima III auf mehr.

Nun, die meisten Menschen, die flüchtig die Geschichtsbücher wälzen, würden sagen, dass die Gamer zwei Jahre warten mussten, aber … das stimmt so nicht ganz.

Diejenigen, die das Spiel auf dem Apple II spielten, hatten irgendwann zu Beginn des Jahres 1985 noch eine weitere Option.

Joel Fenton von „Backstreet Software“ hat herausgefunden, dass Ultima III die gesamte Spielmechanik von der „Master Disk“ lädt und dann von der „Scenario Disk“ die Karte der Spielwelt zieht. Durch ein bisschen Reverse-Engineering hat Fenton es geschafft, seine eigenen Karten für das Spiel zu erstellen.

Heutzutage nennen wir das „Modding“.

Joel erschuf insgesamt fünf eigene Szenarien für Ultima III: „A World Divided“, „Spaceship Crash“, „Egypt“, „Pirate World und „Rule of the Slave Lords“. Ursprünglich hat Joel den gleichen Trick auch beim Spiel „Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord“ angewendet und zwei „Wizimore“-Abenteuer erstellt: „O’Connor’s Mine“ und „Scarlet Brotherhood of Hsi Ho“.

Joel bewarb und verkaufte seine inoffiziellen Erweiterungen in Computer-Magazinen in Nordamerika. Das würde einem heute einigen rechtlichen Ärger einbringen, aber (offensichtlich) kam Joel Fenton damals mit dieser Masche durch. Ironischerweise wurde er anschließend Rechtsanwalt; vielleicht hatte er Angst, dass Electronic Arts ihm eines Tages auf die Schliche kommen könnte.

Aufgrund der Vertriebsweise und der mittlerweile verstrichenen Zeit galten diese Erweiterungen als verloren und deswegen haben Menschen wie ich nie von Ultimore gehört. Weil sie nur in Nordamerika verkauft wurden, gilt das ganz besonders für diejenigen von uns, die in einem anderen Teil der Welt großgeworden sind. Ich habe herausgefunden, dass diese Szenario Disks keinerlei Kopierschutz hatten und daher freigiebig auf Bulletin Board Systems (BBS) verteilt wurden.

Dann, Anfang 2014, postete ein eifriger Ultima-Fan namens „Pix“ einen Artikel auf seiner Seite mit Details zu „A World Divided“, der einen Download-Link zum Apple II Disk-Image beinhaltete.

Pix’ Playthrough von „A World Divided“ scheint keinen zweiten Teil zu haben, sein Abenteuer beschränkt sich daher auf ein wenig Herumstochern in der Spielwelt. Ähnlich verhält es sich in einer Besprechung, die ich in einer alten Ausgabe von „Quest Busters – The Adventurer’s Newsletter“ vom September 1985 gefunden habe. Auch hier wird „Ultimore: A World Divided“ besprochen, dafür wurde die Erweiterung aber nur „4-5 Stunden“ gespielt.

Ausgehend von dem, was ich online finden konnte, hatte niemand den Mark of Force ergattert, um den Rest der geteilten Welt zu erforschen. Außerdem gibt es sehr wenig Informationen, Karten und nichts auf YouTube (zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels). Selbst auf Google gibt es lediglich ein halbes Duzend relevante Links, wenn man nach „Ultimore“ sucht.

Sechs Jahre lang passierte nichts Relevantes in Bezug auf Ultimore, bis Tobias Hübner eine Diskette entdeckte mit „Ultimore: A World Divided“ auf der einen und „Ultimore: Egypt“ auf der anderen Seite. Er lud das Egypt Apple II-Image im Dezember 2020 hoch und teilte es via Twitter.

Ein heiliger Gral! (Bild: Tobias Hübner)

Sogar Richard Garriott (aka Lord British) war begeistert von der Entdeckung.

Im July 2021 entdeckte ich die Ultimore Erweiterungen. Ich lud „A World Divided“ von Pix’ Seite und das Egypt-Szenario, das Tobias verlinkt hat.

Dann stieß ich auf einige Probleme.

Ich bin ein PC Gamer; ich war froh, 1983 einen IBM PC XT zu besitzen. Abgesehen von ein wenig Herumspielen in der Schule, hatte ich nie Kontakt mit der Apple II-Hardware. Zunächst einmal waren die Disk-Images im Apple II-Format und benötigen die Apple II-Version des Spiels, um zu funktionieren. Außerdem benötigt man einen Apple II bzw. einen Emulator.

Außerdem ist es wert zu erwähnen, dass – soweit ich das beurteilen kann – der gesamte Ultimore-Content im Netz von Leuten ist, die das Spiel auf einem echten Apple II gespielt haben, nicht auf einem Emulator.

Ich habe mich schließlich dazu entschlossen, den AppleWin-Emulator zu verwenden, ich fand die Benutzeroberfläche sehr hübsch und zugänglich. Aber der Emulator war nicht das Problem.

Bevor es weitergeht, eine kurze Bemerkung: Ich besitze eine originale Big Box-Version von Ultima III: Exodus und ich besitze die „Original Trilogy“ von GOG. Also wenn ich jetzt erzähle, dass ich losgezogen bin und eine Kopie des Apple II-Originals „organisiert“ habe, glaube ich, dass ich mir moralisch nichts vorwerfen muss. Soweit ich weiß, kann man die Apple II-Version des Spiels nirgendwo kaufen (abgesehen von einer Original-Kopie des Spiels auf eBay). Ich nehme jedoch an, dass Electronic Arts noch immer die Rechte an der Apple II-Version besitzt.

Meine Version von Ultima III

Erstes Problem: Im „Egypt“-Szenario war etwas faul mit der Charakter-Auswahl. Die aktive Party bestand aus den gleichen vier Charakteren zweimal. Ich konnte das Abenteuer nicht fortsetzen oder die Party lösen, ohne dass das Spiel abstürzte.

Zweites Problem: In „A World Divided“ war der Dungeon „The Pit of Frost“ defekt.

Hier reagiere ich im Live-Stream auf Twitch auf den defekten Dungeon.

Die Lösung des ersten Problems bestand darin, die Trilogy Version von Ultima III zu organisieren. Diese Version des Spiels ist ein wenig anders als die Erstveröffentlichung, sowohl auf dem Apple als auch auf dem PC. In der ursprünglichen Version starteten die Spieler mit 100 Health- und Food-Punkten, in der Trilogy-Version mit 150 Health- und Food-Punkten. Es gab offensichtlich noch mehr Änderungen, die weniger offensichtlich sind, da der populäre „Ultima Patcher“ für den PC (auch auf Pix’ Seite erhältlich) nur mit der Trilogy-Version des Spiels funktioniert. Dankenswerterweise ist das die Version, die die meisten Menschen haben, da sie auf GOG verkauft wird.

Leider ist es verdammt schwer, eine Kopie der „Trilogy Edition“ für den Apple II zu finden. Nach langem Suchen im Internet habe ich sie jedoch gefunden und sie hat das Problem mit der Charakterauswahl sofort gefixt. Dadurch konnte ich ohne Probleme eine Karte der Oberwelt erstellen.

Die Lösung des zweiten Problems kam von Tobias Hübner. Du erinnerst dich vielleicht, dass er ebenfalls eine Kopie von „A World Divided“ auf der anderen Diskettenseite hatte. Er hat dankenswerterweise ein Backup erstellt und es mir geschickt. Ich kann bestätigen, dass diese Version der Erweiterung nicht defekt ist und ich nun dabei bin, jede Stadt und jeden Dungeon zu kartografieren.

Wie geht’s weiter?

Um meinen persönlichen Ehrgeiz zu stillen, möchte ich sowohl „A World Divided“ als auch „Egypt“ durchspielen. Außerdem möchte ich alle Karten für beide Spiele erstellen und habe damit beim Spielen von „A World Divided“ auch bereits angefangen, was mir großes Vergnügen bereitet hat.

Ich habe Tobias Hübner, dem Kumpel, der die beiden Erweiterungen hochgeladen hat, ein paar Fragen zugeschickt. Mich würde sehr interessieren, wie er die Diskette gefunden hat und was er über Ultimore denkt.

Ich wurde zudem wirklich gerne mit Joel Fenton sprechen, wenn das möglich ist. Er hat sich 2014 einmal kurz auf der UltimaCodex Internetseite gemeldet, als „A World Divided“ zum ersten Mal auftauchte, aber seitdem gab es keine Rückmeldung mehr von ihm. Auch alle Links zu seiner Anwaltskanzlei scheinen nicht mehr zu funktionieren.

Es wäre außerdem ziemlich cool, von Richard Garriott zu hören, was er über Ultimore denkt, da er ja bereits Interesse bekundet hat und er der Schöpfer der Ultima-Spiele ist.

Ich für meinen Teil werde alle Karten für beide Erweiterungen hochladen, sobald sie fertig sind. Mit „A World Divided“ komme ich bereits gut voran. Ich werde voraussichtlich ein Video auf YouTube hochladen und auch weiter auf Twitch streamen.

Faerdin’s Castle – Ultimore: A World Divided (in Bearbeitung)

Ich würde auch gerne die Disk-Images, die Tobias zur Verfügung gestellt hat, in einer einzigen ZIP-Datei für jedermann zum Download anbieten. Ich habe jedoch Bedenken, das „Master Disk“-Image der „Trilogy Edition“ von Ultima III hochzuladen. Ich möchte lieber nicht Electronic Arts aufregen, aber vielleicht kann ich sie kontaktieren und die Erlaubnis dazu bekommen. Idealerweise würde ich gerne eine einzige Datei erstellen, die die „Master Disk“ und die Ultimore-Erweiterungen beinhaltet, damit jeder Ultimore ohne Probleme testen kann.

Ich habe außerdem FractalMindMike, einen weiteren Retro-PC-Spieler und Streamer hier in Australien, angesprochen, der einige Erfahrungen im Programmieren hat und vielleicht noch weitere Personen kennt, die dabei behilflich sein können, die Map-Dateien der Ultimore-Erweiterungen zu extrahieren oder mit Hilfe von Reverse Enginering an die Inhalte zu gelangen. Ich hoffe, dass die Karten das gleiche Format besitzen, unabhängig von der Plattform, also eine einfache Datei mit einer 64×64 Teile großen Karte oder einer 16×16 Dungeon-Karte. So könnten die Erweiterungen idealerweise auf andere Plattformen portiert werden. Dann könnte man Ultimore auch mit der PC-Version des Spiels, die man auf GOG kaufen kann, spielen – in 256 Farben!

All das nenne ich „Das Ultimore Projekt“. Vielleicht ein bisschen anmaßend, aber ich liebe mein Ultima III, also lasst dem alten Hund seinen Knochen. Ich poste regelmäßig Updates auf meinem Discord-Channel, dem du hier beitreten kannst. Größere Updates veröffentliche ich auf dieser Seite und teile sie dann auf meinem Twitter– und Facebook-Kanal.

Die größte Hoffnung und der ultimative Traum ist, dass auch die anderen drei Ultimore-Erweiterungen gefunden und geteilt werden. Sei es von dem ursprünglichen Entwickler Joel Fenton oder jemandem, der die alten Disketten auf seinem Dachboden findet oder auf einer alten Festplatte eines BBS aus den 80ern. Wenn du eine Kopie von „Spaceship Crash“, „Pirate Word“ oder „Rule of the Slave Lords“ besitzt, lass es mich bitte wissen!

Ultimore ist keine offizielle Erweiterung, sie wurden nicht von Richard Garriott, Origin oder Electronic Arts gemacht. Aber sie sind definitiv ein Stück Videospiel-Geschichte und zwar eins, dass ich liebend gerne kartografiert, dokumentiert, kommentiert und konserviert sehen möchte.

Hier ist mein Download-Link für Ultimore: A World Divided und Ultimore: Egypt.

(Ende des Blog-Beitrags von „Daemon Master“)

P.S.: Mittlerweile hat „Daemon Master“ eine weitere Karte einer Stadt aus der „A World Divided“-Erweiterung erstellt und auf seinem Discord-Channel geteilt, die besonders deutsche Gamer interessieren wird, denn es handelt sich um München, inklusive Bratwurst- und Schnitzel-Stand.

2 Kommentare zu “Gastbeitrag: Das Ultimore-Projekt – Was ist Ultimore?

  1. Pingback: Das Ultimore-Projekt, Teil 2 – Weg der Wiedererlangung « Medienistik Blog

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