Das kostenlose Make:Education-Angebot für Lehrkräfte

Schulen sind mit der Digitalisierung überfordert. Das zeigen hier in NRW anschaulich der LOGINEO-Fail und die 8.000 liegengebliebenen iPads, die keiner einrichten konnte.

Derweil starten Manfred Spitzer und Konsorten (wieder einmal) einen Generalangriff auf alles Digitale und unterstellen Lehrkräften, die wie ich in einer 6. Klasse Informatik unterrichten, dass sie „Versuche an schutzbefohlenen Kindern und Jugendlichen mit ungewissem Ausgang“ unternehmen. Ja vielen Dank auch!

Es ist also prinzipiell erst einmal begrüßenswert, wenn Stiftungen, Konzerne und Verlage den Schulen Hilfe anbieten, um die Digitalisierung zu wuppen. Lehrkräften fällt dann die Aufgabe zu, diese Angebote zu sichten und zu überlegen, welche davon sie annehmen oder besser dankend ablehnen sollten.

Nun bietet auch der Make-Verlag in Kooperation mit dem Westermann Verlag und der Landesinitiative n-21: Schulen in Niedersachsen online e.V. den Schulen Unterstützung an mit einem neu gegründeten Portal namens „Make:Education“. Für alle, die es nicht kennen: Das Make-Magazin, für das ich auch selbst schon als Autor tätig war, ist die erste Wahl im Zeitschriftenladen für alle Bastler, Tüftler und Elektronikbegeisterte.

Zweitverwertung von Webinaren

Der Zugang ist denkbar einfach: Jede Lehrkraft kann sich kostenlos im Portal „Make:Education“ anmelden und anschließend sofort alle Materialien kostenlos herunterladen.

Derzeit stehen fünf verschiedene, ca. einstündige Videovorträge auf der Plattform zur Verfügung. Zwei davon sind Vorträge von der Maker Faire 2022, die Tipps zur Installation eines Maker Spaces an der Schule geben. Bei den anderen dreien handelt es sich um aufgezeichnete Webinare, in denen es um Videokonferenzen, Social Media und das Programmieren geht.

Letzteres Video stammt von Jan Mahn, der seit 2017 c’t-Redakteur ist. Darin präsentiert er sehr kompetent verschiedene Programmieroberflächen von Scratch bis Open Roberta sowie Maker-Hardware (Raspberry Pi, Arduino, Calliope). Was das Video aber von vielen anderen Angeboten abhebt, sind die sehr realistischen Hinweise in Bezug auf den Vorlauf, den ein Einsatz von Mikrocontrollern und Programmier-Projekten im Unterricht benötigt. Mal eben so in der Klasse programmieren zu wollen oder mit Elektronik zu basteln, ist nämlich in der Regel keine gute Idee. Die von Mahn im Vortrag gelobte Platine „IoT Octopus“, die ich mir daraufhin gleich mal anschaffen wollte, ist jedoch derzeit nirgends erhältlich.

Kostenlose Make-Artikel

Wesentlich besser gefüllt ist die Kategorie „Artikel – PDF“. Hier finden sich dutzende interessante Projekte aus dem Make-Magazin, die jeden (Informatik-)unterricht bereichern, so etwa der Artikel zum Bau eines DVD-Spektrometers, für das man lediglich ein wenig schwarze Pappe und einen DVD-Rohling benötigt oder der Artikel zum Basteln des weltbesten Papierfliegers. In einem anderen Artikel wird ausführlich erklärt, wie eine Kartoffelbatterie (oder für ganz Mutige: eine Batterie mit Urin) funktioniert, welcher Kleber für welches Material am geeignetsten ist oder wie KI den Computern scheinbar intelligent macht. Auch andere Schätze finden sich in dem Archiv, etwa ein umfassender Crashkurs in Minecraft.

Make-typisch werden auch komplexere Projekte vorgestellt. Ein Artikel beschäftigt sich etwa mit dem Bau eines Holographie-Mikroskops auf Basis des Raspberry Pi. Als (aus meiner Sicht recht optimistisch angegebener) Zeitaufwand für das Projekt wird „ein Nachmittag (plus Druckzeit)“ angegeben.

Auch toll klingende Überschriften wie „Make:Block:Das Spiel“ reizen zum Klicken an, aber leider verbirgt sich dahinter ein Projekt, das sich für die Schule meines Erachtens kaum eignet. Erstens ist aus nicht näher genannten Gründen nur der zweite Teil des Zweiteiler-Artikels im Archiv gelandet und zweitens bezeichnet selbst der Autor das Bastelvorhaben als eine, Zitat, „echte technische Hürde“. Für Kinderhände scheint das also nichts zu sein.

Einige Projekte sind aus anderen Gründen nicht für den Schuleinsatz geeignet. In einer Umgebung, in der schon das Anzünden einer echten Kerze auf dem Adventskranz als zu gefährlich gilt, sollte man beispielsweise nicht damit anfangen, „Akkupacks selbst [zu] reparieren und [zu] bauen“, wie es ein weiterer Artikel vorschlägt. 

Keine Unterrichtsmaterialien

Davon abgesehen, dass die Artikel nicht alle das Zielpublikum „Schülerinnen und Schüler“ ansprechen, ist es natürlich eine tolle Sache, all diese Texte kostenlos abrufen zu dürfen.

Ein wenig problematisch ist es, wenn das Portal damit wirbt, „kostenlose Unterrichtsmaterialien für mehr Spaß mit Technik im Unterricht“ anzubieten, denn Artikel aus einer Zeitschrift sind noch keine Unterrichtsmaterialien. Dafür fehlen neben Lernzielen und Kompetenzen vor allem Arbeitsblätter, Stundenverläufe oder Präsentationsfolien. Der einzige Zusatz zum regulären Artikel sind Angaben zur Klassenstufe und der Fächer, in denen das Projekt umgesetzt werden könnte.

Solche und weitere Artikel stehen auf dem Make-Portal zum kostenlosen Download bereit.

Unklar ist zudem die Lizenzierung. Auf der Übersichtsseite steht, dass die Dokumente – sofern nicht anders angegeben – unter einer Creative Commons-Lizenz stehen, nämlich CC BY NC ND. Es wird also verlangt, bei einer Vervielfältigung den Namen der Autorin bzw. des Autors zu nennen, die Artikel nicht kommerziell zu verwenden und sie nicht zu bearbeiten. 

Keine Ahnung, was OER bedeutet? Dieses Video hilft weiter.

Was zunächst fair klingt, ist leider recht problematisch für den Schuleinsatz. Die nicht kommerzielle Creative Commons Lizenz verhindert nämlich den Einsatz der Materialien in vielen Kontexten, etwa in Privatschulen oder bei Ferien-Workshops, für die eine Teilnehmergebühr erhoben wird.

Irritierend ist zudem, dass auf nahezu jeder Seite der Materialien „Copyright by Heise Zeitschriften Verlag“ steht, was im direkten Widerspruch zu einer Creative Commons Lizenz steht. Eine Vervielfältigung von Materialien mit einem Copyright ist nicht erlaubt, so dass eigentlich fast keine der PDF-Dateien für den Unterricht kopiert oder digital verteilt werden darf. 

Ebenfalls irritierend ist, dass einige Dateien den Zusatz „Persönliches PDF für …“ mit dem Klarnamen der Person erhalten, für die die Datei ursprünglich erstellt wurde. Diese personalisierten PDFs erhält man beispielsweise, wenn man die Dateien käuflich erwirbt. Der Zusatz soll es nachvollziehbar machen, wenn gekaufte Dateien illegal verbreitet werden. Dass der Verlag selbst solche personalisierten PDFs verteilt, ist schon sehr merkwürdig.

Fazit

Das Make-Magazin ist zweifelsohne das beste Magazin für Tüftler und solche, die es werden wollen. Die Artikel der Zeitschrift sind von herausragender Qualität und kurzweilig zu lesen. Das Make:Education-Angebot des Make-Magazins ist in der jetzigen Form jedoch recht dürftig, da es kaum mehr als ein Heft-Archiv mit ausgewählten Artikeln ist und nicht, wie angekündigt, eine Seite mit Unterrichtsmaterialien. 

Da das Angebot aber kostenlos ist, in Zukunft noch erweitert werden soll und zudem einen monatlichen Lehrer-Newsletter beinhaltet, sollte sich dennoch jede interessierte Lehrkraft anmelden; sie wird mit Sicherheit die ein oder andere Anregung für den Unterricht finden. Wie man dann mit diesem Fund weiter umgehen soll, ist jedoch unklar: Dürfen die Texte überhaupt digital oder analog vervielfältigt werden? Sind sie mit einem Copyright versehen oder unter CC-Lizenz?

Dass sich das Make-Magazin aber überhaupt auf den Weg macht, Bildungsmaterialien zu veröffentlichen, ist aller Ehre wert und es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft ein engerer Kontakt zu Schulen aufgebaut wird, um noch gezieltere und für Lehrkräfte hilfreiche Angebote zu machen.

Wie wäre es beispielsweise mit einer Verknüpfung der Inhalte mit den Informatik-Lehrplänen der einzelnen Bundesländer? Oder mit einer Karte, in der man sich als Schule eintragen und nachschauen kann, welche Bildungsanstalt in der Nähe vielleicht auch den Bau eines Maker-Spaces plant oder sogar schon einen hat? Oder echtes Unterrichtsmaterial auf Basis der Artikel mit Stundenverläufen und Lehrplanbezug?

Wie gesagt: Schulen können Hilfe von Digital-Profis wie der Make-Redaktion gut gebrauchen. Wenn das Angebot ankommen soll, sollten aber nicht nur Heft-Artikel, sondern konkrete Unterrichtsmaterialien mit realistischen Zeit- und Aufwandsangaben angeboten werden. Mit einem Partner wie dem Westermann Verlag könnte das ja vielleicht möglich sein. Wirklich wichtig wäre zudem eine klare Lizenzierung unter einer Creative Commons Lizenz ohne Beschränkung für den kommerziellen Einsatz. Wenn die Arbeitsblätter dann noch in einem veränderbaren Dateiformat erhältlich wären, wäre das Make-Portal ein wahrgewordener Traum für alle Lehrkräfte, die – im Gegensatz zu Spitzer und den anderen Unterzeichnern des oben verlinkten Moratoriums – verstanden haben, dass Digitalisierung der Schule nicht etwa bedeutet, Kinder vor einem Tablet zu parken, sondern ihnen auf kreative, spannende und lehrreiche Weise zu erklären, wie unsere zunehmend digitaler werdende Welt funktioniert.

Ein Kommentar zu “Das kostenlose Make:Education-Angebot für Lehrkräfte

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